Wie viel Aufregung verträgt Yoga?
Hast du dich auch schon einmal gefragt, was Menschen an Yoga fasziniert oder was sie suchen, wenn sie Yoga praktizieren?
Ich frage mich dies ganz oft. Bei uns im Seminarhaus finden ganz viele verschiedene Yoga-Seminare statt. Wir bekommen so immer die neusten Trends mit. Gefühlt sind auch die Seminarteilnehmer immer auf der Suche nach dem „neusten Kick“ oder “neuesten Thrill“.
Es werden Yogastunden mit Technomusic und extra Playlists für den „neusten Flow“ ausgestattet. Nach den anstrengenden Yogastunden werden dann anstatt Nidra Yoga oder Meditation immer öfter Traumreisen, schamanische Reisen etc. angeboten. Am besten gibt es auch noch eine Kakao-Zeremonie oder eine Massage dabei, um das Programm abzurunden.
Hot-Yoga, Yoga-Paddeling, Aeriel Yoga, ständig kommen neue Yogastile auf den Markt. Der Yoga und seine Philosophie sind Jahrtausende alt. Die meisten Übungen und Asanas aber erst ein paar hundert Jahre und viele moderne Stile erst ein paar Jahrzehnte.
Alles hat seine Berechtigung, das ist nicht der Punkt und es geht auch nicht darum die Angebote zu kritisieren. Wenn wir aber von Yoga sprechen, müssen wir uns die Frage stellen, ob uns das dem Yoga näher bringt oder sogar eher davon entfernt.
Es ging beim Yoga nie um den Körper. Im Gegenteil! Es geht darum die Physis zu überwinden und zum reinen Geist zu werden. Reine, spirituelle Essenz. Das erreiche ich aber nicht, wenn ich zu viel Aufmerksamkeit und Anstrengung auf den Körper verwende. Von der Yoga-Mode möchte ich hier gar nicht sprechen.
Ich schreibe diesen Artikel aufgrund einer Seminaranfrage, die kürzlich an unser Haus gestellt wurde. Tatsächlich hatten wir die Anfrage, ob es möglich wäre bei uns Ayahuasca zu konsumieren. Es ist eine psychodelische Substanz, die dein Bewusstsein verändert. Die Veranstalterin wollte ihr Yogaretreat mit einer Ayahuasca-Zeremonie krönen.
What? Drogen nehmen und Yoga machen?
Wo sind wir hingekommen. Wie aufregend sollte Yoga sein? Ich habe gelernt, dass die wahren Yogis sich in Höhlen zurückgezogen haben, um nichts von der Welt der Erscheinung mitzubekommen. Sie wollten sich ganz in sich versenken, um dort das höchste Glück zu finden.
Das Ziel von Yoga ist „Sat-Chit-Ananda“, die Glückseligkeit. Der Yogi versucht alles abzulehnen, was ihn nicht zu diesem höchsten Ziel führt.
“Ya neti, neti wachane nigamor awachus”
“Nicht dieser Gedanke, nicht dieser Gedanke, nicht dieser Gedanke”
Dies ist eine uralte Technik, um die Sinne zurückzuziehen, sich zu versenken und keiner Versuchung oder Ablenkung mehr zu folgen. In der Meditation wird alle Konzentration darauf verwendet nicht mehr zu denken. Alle Gedanken, die aufsteigen, sollten beobachtet werden. Der Yogi schafft Distanz zwischen sich und dem Gedanken. Er lehnt immer wieder den aufsteigenden Gedanken ab, bis er in die absolute Stille, das Nirvichara kommen.
Der Weg des Yoga ist der Weg nach Innen.
Pratyahara ist die 5. Stufe des 8-gliedrigen Pfades von Yoga. Es ist das Zurückziehen der Sinne von der Außenwelt. Erst wenn diese Stufe gemeistert ist, beginnt die Konzentration auf das eine Ziel, die Befreiung des Geistes. Danach kommt Meditation und damit die Versenkung und das Eintauchen in den Samadhi-Zustand. An dieser Stelle beginnt YOGA. Asanas und Pranayama sind nur die Stufen, um den Praktizierenden vorzubereiten. Die physischen Übungen sollen helfen sich auf den jetzigen Moment und die Übung zu konzentrieren. Ähnliches gilt für den Pranayama. Inwiefern laute Musik und Rahmenprogramm förderlich ist, um ganz bei sich und dem höheren Selbst anzukommen, kann jeder für sich beantworten.
Die Sinnesorgane zu kontrollieren ist eine der zentralen Aufgaben des Yogis.
Pratyahara – Rückzug der Sinne
Kannst du behaupten, dass du deine Sinne kontrollierst? Oder kontrollieren die Sinne dich?
Wir sind ständig auf der Suche nach dem nächsten Reiz. Unsere Sinnesorgane wollen unterhalten werden. Wir brauchen die Aufregung oder Anregung. Ständig neue Chips mit Geschmack nach Curry oder Chili, damit unsere Zunge „sensation“ bekommt. Immer abgefahrenere Musik, auf der Suche nach dem neusten Klang, um unsere Ohren zu kitzeln. Ständig sind wir am Handy, auf Facebook, Instagram, TikTok, um einen neuen Kick zu kriegen.
Wir wollen irgendetwas sehen oder lesen, was wir noch nie gehört haben. Die Fernsehsender und Zeitungen sind immer auf der Suche nach der ultimativen Headline, die unser Interesse weckt. Die Werbung spielt mit unseren Sinnen. Ich kenne tatsächlich Jugendliche, die gerne Werbung schauen, weil die Bilder so schnell sind und sie die Abwechslung lieben.
It´s completely crazy. Wir bombardieren unsere Sinne ständig, damit wir uns spüren. Wir merken nicht, dass wir dabei abstumpfen und immer stärkere „Kicks“ brauchen. Bungee-Jumping, Base-Jump, Downhill, Rafting etc.
Das Problem ist, das wir denken, wir sind die Sinne, wir sind das Fleisch. Der Yogi strebt nach der Erfahrung des reinen Geistes. (Spirit, Atman)
Der Geist ist was er ist: reine Freude und Glückseligkeit. Er muss nicht unterhalten werden. Er wartet in uns, um wahrgenommen zu werden. In die innere, wahrhaftige Stille kommen – das ist YOGA.
Vichara Shaitilya – die Entspannung der Sinnesorgane ist der Schlüssel zum YOGA.
Weniger von allem. Es geht um die Disziplinierung der Sinne wie Geschmack, Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und des Geistes durch ein Sich-nach-innen-Richten.
Durch Nirmala Yoga und die Erweckung der Kundalini öffnet sich die innere Achse, der Sushumna Nadi. Die Tür wird geöffnet zum inneren Raum der Stille. Automatisch beruhigen sich alle Sinne.
Dieser Erweckungsmoment ist der „turning point“ in deinem YOGA. Ab diesem Moment kannst du all deine Sinne zurückziehen. Die Sinnesorgane selbst werden zu deinem Unterhalter. Ohne Impulse von außen. Die Ebene des vibratorischen Bewusstseins ermöglicht es dir die feinsten Töne und Schwingungen deines Energiekörpers zu spüren.
Du gehst zurück zur Quelle. Jeder Fluss hat eine Quelle. Die Quellen sind sehr schwer zu finden, da oft nur ganz kleine Rinnsale, wenige Tropfen des reinsten Wassers aus der Erde kommen.
Du folgst dem wilden Fluss der Gedanken bis an ihren Ursprung. „Nicht dieser Gedanke, nicht dieser“ ist das Mantra. Je weiter du zur Quelle kommst, umso leiser wird der Fluss und umso flacher die Wellen.
Du kannst es auch vergleichen mit der Achse eines Rades. Am äußeren Rand hat das Rad einen sehr großen Schwung, in der Mitte ist es aber fest und bewegt sich kaum. Das ist das Zentrum. Dieses Zentrum gibt dem Rad seine Bestimmung und Funktion. Ist das Rad nicht fixiert, kann es keinen Kurs halten und der Wagen wird sein Ziel nie erreichen.
Erreichst du diesen zentralen Punkt in dir, wird deine Reise an Fahrt aufnehmen. Du wirst schnell deinem YOGA näherkommen. Alle Sinnesreize agieren auf dem äußeren Teil des Rades und ziehen dich weg vom Zentrum.
Es freut mich, wenn du dich in Zukunft etwas genauer beobachtest. Achte darauf, ob du auf der Suche nach dem neusten „Excitement“ (Aufregung) bist oder versuchst das abzulehnen, was dich ablenkt.
Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass du zur Ruhe kommst, die fantastische Welt des YOGA in dir findest und nicht in die Ferne reist um die neusten, trendigen Yogastile zu entdecken. Alles was im Außen geschieht, bringt dich nur weiter weg von deinem Selbst, deinem YOGA.